Die erste und die zweite Apokalypse der Medien – und was sie für die Verlage bedeuten

Die nackten Zahlen beim Übergang vom stationären zum mobilen Internet erschweren journalistische Geschäftsmodelle noch stärker als gedacht.

Dass der Medienmarkt seit vielen Jahren unter Druck steht, ist kein Geheimnis. Zwei aktuelle Strömungen erschweren nun den Verlagen die Suche nach neuen Geschäftsmodellen noch weiter.

Wie ich in der vergangenen Woche mit Blick auf die jüngsten Google-Zahlen analysiert habe, ist das Geschäft mit Online-Anzeigen seit Jahren rückläufig: Seit dem dritten Quartal 2011 schrumpfen die durchschnittlichen Cost-per-Click-(CPC)-Preise, die Google erlöst. Google selbst kann dies durch maximale Ausdehnung der Online-Werbeflächen noch halbwegs kompensieren, allerdings erlahmt auch hier langsam das Wachstum.

Für alle anderen Unternehmen, die mit Internet-Anzeigen irgendwie Geld verdienen wollen, sind die Zahlen aber noch viel ernüchternder – zeigen sie doch, dass der Markt für Online-Anzeigen regelrecht kaputt ist. Bisher galt als Faustregel, dass für jeden im Print-Geschäft weggebrochenen Umsatz-Dollar oder -Euro online nur ein Zehntel erlöst werden kann.

Die rückläufigen CPC-Preise lassen diese Schere nun noch weiter aufgehen: Es ist die erste Apokalypse der Medien – weil sich zeigt, dass rein auf Online-Werbung basierte Geschäftsmodelle nicht funktionieren. Denn selbst stetig steigende Zugriffszahlen sorgen wegen der sinkenden Werbepreise nicht für Mehreinnahmen: Online-Newsseiten können wachsenden Web-Traffic also gar nicht mehr monetarisieren – was letztlich dem Tod Reichweiten-orientierter Geschäftsmodelle gleichkommt.

Mobile Drives Online Traffic

Quelle: Pew Research Center

Die zweite Apokalypse der Medien verschärft die Schwierigkeiten glatt um eine Größenordnung: Der amerikanische Think-Tank Pew Research Center hat in der vergangenen Woche seine aktuelle Studie „State of the News Media 2015“ zum Zustand der US-Medien vorgelegt. Ein wichtiger Befund ist der anhaltende Trend der Nutzer in Richtung Mobile.

So erhalten in den USA bereits 39 von 50 Nachrichten-Webseiten mehr Traffic von Smartphones und Tablets als von herkömmlichen Arbeitsplatz-PCs. Gleichzeitig verbringen aber nur bei 10 von jenen 50 Webseites die Mobil-Nutzer mehr Zeit pro Besuch als die Desktop-User.

Anders ausgedrückt: Es greifen zwar immer mehr Nutzer per Mobilgerät auf Online-Nachrichtenangebote zu, dies aber kürzer als am großen Computerbildschirm. Ein Trend, der weiter anhalten dürfte: Laut US-Marktforscher Comscore gab es in Amerika im März 2015 erstmals mehr „Nur-Mobil“-Nutzer als „Nur-PC“-Nutzer.

Zur zweiten Apokalypse der Medien wird dieser Trend durch die reine Metrik beim Übergang vom stationären zum mobilen Internet: Wie der frühere „Financial-Times“-Journalist und Medienbeobachter Tom Foremsky bereits im vergangenen Jahr analysierte, erlösen Mobilanzeigen auf Smartphones und Tablets wiederum nur ein Zehntel der Umsätze von Internet-Werbung auf PCs.

Quelle: Comscore

Das bedeutet: Aus 1000 Dollar Umsätzen mit Print-Anzeigen werden 10 Dollar in der Mobil-Ära – ein Shift, den kein journalistisches Geschäftsmodell der Welt wird ausgleichen können, meint Foremsky. Die „Lousy Pennies“ der Online-Welt schrumpfen in der mobilen Welt noch weiter.

Was bedeutet dies für die Verlage? Die reinen Zahlen zeigen, dass werbefinanzierte Geschäftsmodelle nicht funktionieren. Fraglich ist zudem, ob Bezahlschranken das Bild bessern. Die ruhmreiche „New York Times“ etwa versucht seit geraumer Zeit, ein Online-Abo-Modell zu etablieren. Doch trotz eines Plus bei den Digital-Abos und Internet-Erlösen hat der Verlag im ersten Quartal 2015 mit rückläufigen Umsätzen zu kämpfen und ein Minus von 14,3 Millionen Dollar eingefahren.

Schon buhlen US-Internetriesen um die Medienhäuser: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg etwa will, dass die Verlage einen Teil ihrer Geschichten direkt auf seiner Plattform veröffentlichen – und bietet ihnen bereits finanzielle Schmankerl wie das Überlassen bestimmter Anzeigen-Erlöse.

Google wiederum hat kürzlich angekündigt, in Europa im Rahmen des Projekts „Digital News Initiative“ in den kommenden drei Jahren 150 Millionen Euro in den Journalismus investieren zu wollen. Für die Verlage sind beides nicht gerade attraktive Alternativen, würden sie die Abhängigkeit von den US-Konzernen doch noch stärker als bisher bereits steigern.

Zusammengefasst: Die Suche nach dem heiligen Gral einer erfolgreichen digitalen Transformation in der Medienindustrie geht einstweilen weiter.

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Alle Kommentare [4]

  1. In der Tendenz sehr richtige und für die Medienhäuser äußerst beunruhigende Analyse. Allerdings könnte der Rückgang der Google CPC-Preise auch einfach damit zu tun haben, dass die Anzeigengelder mittlerweile auch woandershin wandern – zu Facebook beispielsweise.
    Nichtsdestotrotz werden Verlage um das gute alte Abo-Modell nicht herumkommen, wenn sie ihre Inhalte monetarisieren wollen.

  2. Lieber Michael, Du schreibst schon ganz richtig: Der Markt für Online-Anzeigen ist kaputt, rein werbefinanzierte Geschäftsmodelle funktioniert immer schlechter. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Maß an „artificial traffic“ die menschlichen Besucherströme mittlerweile gerne mal übersteigt.

    Nun frage ich mich: Die gesamte Branche „kennt“ und versteht die Problematik – und dennoch verharren Inhalts-Ersteller wie Anbieter in einer katatonischen Paralyse … was ist los? Wurde die Innovationsfähigkeit in den fetten Zeiten totgespart? Ging die Fähigkeit zur (digitalen) Transformation im Rahmen der unendlich anmutenden (Selbst-)Beschäftigung mit branchenspezifischen Regelungen einfach verloren?

    Muss erst ein Unternehmen im mytaxi- bzw. „UBER“-Style herkommen und den journalistischen Taxifahrern ihre digitale Strategie überstülpen … oder berappelt sich die Branche, bevor Facebook, Google & Co. mit schlechten, aber dennoch besseren Angeboten locken? 😉