CeBIT-Geflüster: Salesforce gegen die Deutsche Messe – und SAP?

Angeblich hat der amerikanische IT-Anbieter Salesforce versucht, seinen CEO Marc Benioff dem CeBIT-Veranstalter als Redner der Eröffnungsveranstaltung schmackhaft zu machen. Gegenwind gegen diese Pläne gab es dem Vernehmen nach aus dem Kanzleramt.

Die heute in Hannover startende CeBIT ist als weltgrößte IT-Messe nicht nur die alljährliche Leit- und Leistungsschau der Branchengrößen wie IBM, Microsoft, SAP & Co. Gleichzeitig bildet die CeBIT geradezu ein ideales Forum für das Verbreiten von Interna, Gerüchten, Branchenspott und Gossip aller Art.

Insbesondere die Eröffnungsfeier im Untergeschoss des Hannoveraner Congress Centrums nach den Ansprachen unter anderem von Bundeskanzlerin Angela Merkel Bitkom-Chef Dieter Kempf hat sich zu einem regelrechten Jahrmarkt der Brancheneitelkeiten entwickelt. Zwischen Stehtischen und warmem Büffet trifft man da ständig Chefs nationaler Softwarehäuser, deutsche Pressesprecher von US-Giganten sowie hochrangige Verbandsvertreter.

Und beim Glas Bier oder Wein kommt man dann leicht ins Gespräch – und erfährt mehr spannende Dinge als bei den meisten offiziellen Pressekonferenzen während der CeBIT. Das spannendste Messegeflüster in diesem Jahr betrifft den IT-Anbieter Salesforce. Die Amerikaner sind Pionier in Sachen Unternehmenssoftware aus der Cloud – ein Gebiet, das sich seit einiger Zeit auch der deutsche Rivale und Weltmarktführer SAP als wichtigen Wachstumsmarkt auserkoren hat.

Schillernder Verkäufer

Gründer und Vorstandschef von Salesforce ist Mark Benioff, ein schillernder Verkäufer in eigener Sache wie der seines Unternehmens, typisch amerikanisch eben. Man merkt Benioff halt die Schule von Larry Ellison an: Bei dessen Softwarehaus Oracle – nebenbei übrigens der ärgste SAP-Rivale – arbeitet er, bevor er sich mit Salesforce selbstständig machte.

Und jener Benioff wollte unbedingt als einer der Top-Sprecher auf der Eröffnungsveranstaltung reden, verlautet aus Branchenkreisen. Darüber hätten er und sein Team monatelang mit der Deutschen Messe AG, dem Ausrichter der CeBIT, verhandelt. Zudem wollte Salesforce dem Vernehmen nach eine ganze Halle mieten, um dort mit seinen Partner-Unternehmen die gesamte Palette seines Cloud-Angebots präsentieren zu können.

Bisher nur ein Redner aus der Industrie

Das Problem mit Benioff: Die Deutsche Messe hatte bereits Anfang Januar verkündet, dass in diesem Jahr EADS-Chef Tim Enders auf der diesjährigen CeBIT sprechen werde. Doch einen zweiten Industrievertreter sieht das Ablaufprogramm der IT-Messe nicht vor. Die weiteren Redner sind traditionell der Bitkom-Präsident, der Ministerpräsident des Bundeslandes Niedersachen, ein hochrangiger Verteter – meist Präsident oder Kanzler – des jeweiligen CeBIT-Partnerlandes, und schließlich der deutsche Regierungschef, seit der Messe 2006 also Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Angeblich hat man seitens der Deutschen Messe durchaus mit dem Plan sympathisiert, das Programm um einen zweiten Redner aus der ITK-Branche zu erweitern; schließlich hätte der Veranstalter so seine Attraktivität gegenüber der Industrie steigern können. Warum Benioff doch nicht zum Zuge kam? Mehrere voneinander unabhängige Quellen berichten, dass unter anderem das Kanzleramt dem CeBIT-Veranstalter deutlich signalisiert habe, man sei mit der bisherigen Regelung sehr zufrieden und wolle den Kreis der Redner auch in Zukunft klein halten.

Junktim aus Eröffnungs-Keynote und Anmietung einer Halle?

Warum Salesforce zudem keine ganze Halle mehr gemietet hat, sondern sich nur mit einem normalen Stand in Halle 4 bescheidet, darüber gibt es unterschiedliche Gerüchte. Möglicherweise haben die Amerikaner versucht, zwischen Benioff-Keynote und der Anmietung einer ganzen Halle ein Art Junktim zu knüpfen. Auf Anfrage wollte man bei Salesforce in Deutschland weder dies noch eine mögliche Benioff-Rede kommentieren.

Wieder ein anderer Brancheninsider meint zu wissen, dass sich Rivale SAP gegen eine allzu große Präsenz des amerikanischen Wettbewerbers gewehrt und möglicherweise auch Druck auf die Deutsche Messe ausgeübt habe. Ein hochrangiger Vertreter aus dem deutschen ITK-Branchenverband Bitkom – der wiederum den Messebeirat der CeBIT mit Vertretern der Aussteller-Firmen besetzt – hält das für unwahrscheinlich. Eine internationale Messe wie die CeBIT könne sich nicht erlauben, auf die Wünsche einzelner Firmen einzugehen. Zudem glaube er nicht, dass eine solche Aktion für SAP wirklich Sinn ergäbe.

Idee aus dem CeBIT-Messeausschuss

Seitens der Deutschen Messe AG konstatiert man immerhin, dass Salesforce „Interesse an der Eröffnungsveranstaltung“ gehabt habe. Gleichzeitig legt man dort aber Wert auf die Feststellung, niemand könne sich „bei der CeBIT einkaufen“. Sprich: Mit Salesforce seien „viele verschiedene Modelle für Messepräsenzen“ diskutiert worden, die hätten aber nicht im Zusammenhang mit einem positiven Entscheid in Sachen Eröffnungsrede gestanden.

Die Erweiterung des Rednerkreises sei laut Deutscher Messe übrigens eine Idee aus dem CeBIT-Messeausschuss gewesen, sprich ein Wunsch der Chefs aus den IT-Unternehmen. Aus diversen Gründen sei dies aber für dieses Jahr verworfen worden. Und ja, auch seitens des Kanzleramtes habe es frühzeitig Hinweise gegeben, man wolle am bestehenden Format festhalten. Genau das wiederum habe die Deutsche Messe wiederum Salesforce signalisiert: Dass das Setup zumindest für 2013 feststehe.

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Alle Kommentare [4]

  1. Lieber Herr Kroker,

    ja, was wäre die CeBIT ohne „Interna, Gerüchte, Branchenspott und Gossip aller Art“. Salesforce ist im Gespräch, und das freut uns. Denn mit einer deutschen Zentrale in München wissen wir: Die CeBIT ist so was wie der Nockherberg der IT-Branche. Das heißt: Das Schlimmste, was einem passieren kann, ist: NICHT„derbleckt“ respektive erwähnt zu werden 🙂

    Wie dem auch sei: Das CeBIT-Spiel 2013 läuft und unser Stand in Halle 4 ist gut besucht und kaum zu übersehen. Und wie wir Teilen und Vernetzen verstehen, erleben Sie bei uns am Stand. Kommen Sie doch einfach vorbei!

    Bis dann und freundliche Grüße
    Peter Ruchatz
    VP Marketing EMEA Central
    Salesforce.com

  2. Dass sich SAP gegen eine stärkere Messebeteiligung von Salesforce starkmacht und vermutlich auch durchsetzt, halte ich aus persönlicher Erfahrung für äußerst wahrscheinlich. godesys hat der CeBit 10 Jahre in Halle 5 die Treue gehalten, bis in 2011 die SAP entschieden hat, dass man neben Halle 4 auch noch in der „Mittelstandstandshalle“ 5 einen Stand brauchte. Im Ergebnis war unser Standplatz weg. Weder Diskussionen noch Interventionen halfen, die Messegesellschaft hat den Platz an den „Platzhirschen“ vergeben…
    Warum sollte das also hier anders laufen? Verwunderlich daran ist aber, dass Salesforce als Internet-Unternehmen die CeBit überhaupt mit einer Teilnahme ehrt. Wir setzen seit diesen Erfahrungen konsequent auf virtuelle Lead-Generierung, boykottieren die CeBit und müssten diesem Altherrenklub eigentlich dankbar sein, sparen wir uns doch jedes Jahr Geld und eine Woche Diaspora in den Weiten des Hannoveraner Restwinters.

    Godelef Kühl
    CEO godesys AG

  3. Lieber Herr Kühl,

    nun eigentlich ist doch damit alles fast perfekt. 🙂

    Für Sie als innovative Mittelstandsfirma mag dieses Vorgehen hervorragend funktionieren. Mit Alternativen zur CeBit sind Sie wahrscheinlich kostengünstiger erfolgreicher

    SAP und Salesforce hingegen benötigen für Ihre Verkäufe genau jenen Altherrenklub, den Sie kritisieren. (Und investieren massiv dafür.)
    Wie bei Herr Kröger so schön anklingt: Der „Consumer“ ist auf der Consumer-Messe nicht unbedingt in der Hauptrolle.Gross-Konzerne und Politik können hier lukrative Kontakte knüpfen.

    SAP, Salesforce, etc. verkaufen entgegen Ihrer Eigendarstellung nun einmal nicht unbedingt die besten und innovativsten Produkte.
    Doch man muss anerkennen, sie verstehen es am besten, sich zu präsentieren und mit hohen „Incentives“ die Türen zu den grossen Firmen-Budgets zu öffnen.

    Salesforce ist hier wohl eines der besten Beispiele:
    Úber 50% der Kosten des Unternehmens fliessen in Verkauf und Verwaltung statt in’s Produkt.
    Was erreicht man mit diesen Investitionen?
    Obwohl die „Cloud“ Zweck und Realität seit Beginn der Computernetzwerke ist (ARPA/DARPA-Net, Client-Server-Architekturen, Hawaii-Protokoll etc.), präsentiert sich heute gern Salesforce als „Erfinder“ und schafft es damit bei „Entscheidern“ Gehör zu finden und die Taschen zu öffnen…

    Wenn ein gutes Produkt diesen Verkauf unterstützt, wird dann sogar eine belastbare, langfristige Beziehung daraus. Nicht schön für uns kostenfokussierte Mittelständler aber harte Realität. 🙂