Neue Handy-Software Windows Phone 8: Microsoft bricht mit der Vergangenheit

Microsoft hat die Neuauflage seines Smartphone-Betriebssystems vorgestellt. Um die eng an das ebenfalls neue Windows 8 zu koppeln, riskieren die Redmonder den Unmut von Bestandskunden.

Was für eine Woche für Microsoft: Am Montag hat Konzernboss Steve Ballmer – offen gestanden wider Erwarten – in Los Angeles erstmals Computer präsentiert, die unter dem Micrsoft-Label vermarktet werden sollen: eine Tablet-PC-Serie namens Surface, angetrieben von dem im Herbst auf den Markt kommenden Windows 8.

Gestern in San Francisco dann – weit weniger unerwartet – die Vorstellung von Windows Phone 8, dem Nachfolger des aktuellen Smartphone-Betriebssystem mit der Versionsnummer 7.5. Die neue Software kommt unter anderem mit einer veränderten Nutzeroberfläche daher, künftig gibt es drei verschiedene Größen der für Windows Phone charakteristischen Kacheln auf dem Startbildschirm. Zudem unterstützt das System neue Hardware wie etwa Mehrkern-Prozessoren, was zu leistungsfähigeren Geräten führen soll.

Neuer Startbildschirm von Windows Phone 8 (Quelle: Microsoft)

Auf den ersten Blick haben beide Veranstaltungen wenig gemein – bei Lichte betrachtet sind sie freilich eng miteiander verknüpft. Denn Microsoft plant nicht weniger als die große Vereinheitlichung und will Computer, Tablets und Smartphones näher zusammenbringen. Das Versprechen der Redmonder: Apps sollen künftig ohne große Modifikationen auf allen drei Geräten genutzt werden können – ein wichtiger Pluspunkt im Wettbewerb gegenüber den im Mobilgeschäft weit enteilten Konkurrenten Apple und Google, so die Hoffnung bei Microsoft.

Um das Versprechen einlösen zu können, ist Microsoft indes gezwungen, technisch mit der Vergangenheit bei Windows Phone zu brechen. So tauschen die Redmonder bei ihrer Mobilplattform den Kernel – künftig verwenden Windows 8 und Windows Phone 8 dann einen ähnlichen Programmcode. Das freilich ist nicht weniger als eine Operation am offenen Herzen – und droht, bestehende Kunden zu verprellen.

Erlischt der Funke Hoffnung für Microsoft und Nokia wieder?

Denn jetzt hat Microsoft auch offiziell zugegeben, was ich bereits Anfang Juni exklusiv hier im Blog berichtet habe: Die aktuellen Windows-Phone-Geräte, darunter die leidlich erfolgreiche Smartphone-Serie Lumia aus dem Hause Nokia, erhalten kein Update auf Windows Phone 8. Um zu verhindern, dass alle heutigen Windows-Handys ab sofort unverkäuflich werden, gibt es für die stattdessen ein Pseudo-Update auf eine Zwischenversion 7.8.

Das bedeutet: Die derzeit erhältlichen Smartphones erhalten dieselbe Benutzeroberfläche wie Windows Phone 8, aber nicht dieselben technischen Funktionen. Das sei gar nicht anders  möglich, argumentiert Microsoft, schließlich unterstütze Windows Phone 8 zahlreiche neue Technologien wie etwa den Funkstandard NFC – die seien in den bestehenden Geräten eben auch gar nicht eingebaut.

Ich bin gespannt, ob potenzielle Käufer dieser Argumentation folgen. Immerhin ist das als Hoffnungsträger für Microsoft und Nokia gleichermaßen gehandelte Smartphone Lumia 900 erst seit Anfang der vergangenen Woche in Deutschland erhältlich – und bereits jetzt veraltet. Dabei hat das Marktforschungshaus Comscore gerade so etwas wie einen Funken Hoffnung für das Gespann verkündet: Im April hat Nokia in Deutschland erstmals seit der Einführung des iPhone keine Marktanteile mehr verloren. Gut möglich, dass der Funke jetzt wieder erlischt – und die Talfahrt nach der gestrigen Ankündigung weitergeht.

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Alle Kommentare [1]

  1. Wegen neuer Features braucht man also ein neues OS. Aha. Da bin ich ja mal gespannt, ob das iPhone 4(s) mit der Vorstellung eines neuen iPhone 5 mit NFC direkt Elektromüll wird. So wie das Ur-iPhone mit der Integration von GPS auch gleich Elektromüll war. Oder wie alle anderen Android Telefone, die gleich Elektro-Müll wurden, weil neue Handkes mit neuen Hardware-Features kamen.

    Sorry, aber so eine dreiste Volksverdummung habe ich Microsoft nicht zugetraut.

    Die treten gerade ihre treuesten Kunden (und das sind nicht mehr viele!) mit Anlauf in den Allerwertesten …

    Von dem Wertverlust, den die WP7 Käufer gerade hinnehmen müssen, zahle ich die nächsten drei angeblich so hohen iPhone-Steuern (die eh nie so hoch war, wie manche behaupten, weil iPhones verdammt wertstabil sind).