Google+ wächst – und kommt dennoch nicht richtig in Fahrt

 Die aktuellen Zahlen zum Facebook-Gegenentwurf aus dem Hause Google geben weiterhin ein gemischtes Bild vom Nutzerzuspruch zu dem neuen sozialen Netzwerk.

Erst Ende November habe ich hier im Blog ziemlich aufgeregte Diskussionen durch meine – zugegebenermaßen zugespitzte – These ausgelöst, Google+ sei auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit. Ok, ich gebe zu – so weit ist es bisher nicht. Ich bleibe aber bei meiner eher kritischen Sicht: Denn zu diffus ist die Datenlage rund um Googles Alternativentwurf zu Facebook, als dass man bereits eine nennenswerte Aufholjagd konstatieren könnte.

Auf den ersten Blick wirkt jene These gewagt: Als Rivale Facebook Anfang Februar seinen Aktienprospekt bei der amerikanischen Börsenaufsicht SEC einreichte, hat es auch wieder Vergleichszahlen der beiden sozialen Netzwerke gegeben. Die bescheinigen Google+ weiterhin ein geradezu stellares Wachstum: Während Facebook für die Schwelle von 100 Millionen Nutzer noch vier Jahre benötigte, habe der kleine Rivale das in gerade mal acht Monaten bewerkstelligt:

Quelle: Business Insider

Gleichzeitig hat das Marktforschungsunternehmen Statista gestern Zahlen zur durchschnittlichen Aufenthaltsdauer pro Seitenbesuch in den USA veröffentlicht. Zwar ist Marktführer Facebook zwischen Dezember 2010 und Dezember 2011 von über 25 Minuten auf unter 20 Minuten abgesackt. Profitiert hat von dieser Schwäche aber nicht Erzrivale Google, sondern die digitale Bilder-Pinnwand Pinterest, eines der aktuell am heißesten diskutierten sozialen Netzwerke. Google+ kommt dagegen nicht wirklich in Fahrt – der US-Nutzer bleibt dort im Schnitt gerade mal zwei Minuten.

Die Erklärung für jenen scheinbaren Widerspruch ist vergleichsweise leicht: Ende 2011 hat Google die Anmeldeverfahren zu seinen Diensten verändert. Seitdem erhält jeder neu angemeldete Nutzer automatisch auch einen Account bei Google+, egal ob er den jemals nutzt oder nicht. Ähnliches versucht Google bei der neuesten Version 4.0 seines Mobil-Betriebssystems Android (Codename „Ice Cream Sandwich“): Wie das US-Technologieblog „TechCrunch“ im November berichtete, versucht die Software, jeden Neu-Nutzer zur Registrierung eines Google+-Accounts zu bewegen.

Quelle: Statista

Derartige Maßnahmen sorgen verständlichweise für eine regelrechte Explosion der Nutzerzahlen von Google+. Immerhin aktiviert Google derzeit mehr als 700.000 Android-Smartphones – wohlgemerkt pro Tag. Doch mehr Nutzer führen eben noch nicht zu mehr aktiver Nutzung. Dazu bedarf es attraktiver Angebote auf Google+ – sei es von Unternehmen, sei es von Google; Dinge, die man bei der Konkurrenz von Facebook & Co. nicht erhält. So lange diese fehlen, wird es keinen Massenexodus von Facebook geben. Erst wenn der einsetzt, kommt es auch zu den vielbeschworenen Netzwerkeffekten, etwa wann ganze Freundeskreise ihr Social Network komplett wechseln.

Dass die User-Gemeinde von Google+ bisher reichlich unausgewogen ist, zeigt sich auch in der Nutzerdemographie, die Ende Januar die neuen Seite PlusDemographics.com veröffentlicht hat. So scheint das Hauptpublikum bisher vor allem aus den typischen Frühnutzern zu bestehen: Demnach sind mehr als 70 Prozent der Google+-Nutzer männlich; die Hälfte der weltweit mehr als 90 Millionen Nutzer (also eine leicht niedrigere Zahl als in obiger Business-Insider-Studie) ist zwischen 18 und 24 Jahre alt, und fast 44 Prozent sind Singles. Bei Facebook als reiferem Netzwerk ist sowohl die Geschlechts- als auch die Altersverteilung bereits viel ausgewogener.

Laut PlusDemographics.com soll es in Deutschland übrigens bereits 3,6 Millionen Nutzer von Google+ geben. Auch diese Zahl halte ich für deutlich aufgebläht – vor allem, wenn man Google+ mit Twitter vergleicht. Gewiss, im Vergleich zu Facebook fristet der Kurznachrichtendienst hierzulande immer noch ein relatives Schattendasein. Laut Erhebung der „Webevangelisten“ soll es im September 2011 erstmals mehr als eine halbe Millionen aktive Accounts in Deutschland gegeben haben. Vielleicht ist jene Zahl wiederum zu konservativ, jedenfalls habe ich bisher auch nicht nur ansatzweise den Eindruck,  Google+ sei sieben Mal so verbreitet wie Twitter.

Quelle: GooglePlusInside.de/PlusDemographics.com

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Alle Kommentare [7]

  1. Wieder mal ein interessanter Artikel in der WiWo, doch langsam wird es langweilig. Wir wissen inzwischen alle, dass Michael Kroker sich bei Facebook wohler fühlt und Google+ nicht so wirklich mag, bzw. versteht;)

    Dazu passt es natürlich auch, dass die Google+ Seite der Wirtschaftswoche aktuelle 1780 Menschen hat, die gecircelt haben, doch bisher gibt es keinerlei Aktion bei Google+?? Andere Medien sind da schon wesentlich aktiver und auch erfolgreicher;)

    Im übrigen, halte ich die These im Beitrag für extrem überzogen und unwahr. Persönlich und im Austausch mit vielen Menschen, ergibt sich mir ein völlig anderes Bild; genau das Gegenteil was Herr Kroker in seinem Bericht glaubhaft machen will ist der Fall; die Nutzerzahlen und die Verweildauer von Goggle+ nehmen tatsächlich drastisch zu!

    Fazit; ich bin zunehmend kritischer wenn Herr Kroker über Google+ berichtet und mehr als ein schmunzeln entlockt es mir nicht mehr…

  2. Lieber Mike H.,

    danke für den Kommentar. Gerne können Sie weiterhin anderer Meinung sein als ich; erinnere mich nur zu gut an lebhafte „Diskussionen“ rund um den anderen Blog-Beitrag zu G+. Aber was hier „unwahr“ sein soll, erkenne ich nicht direkt. Habe schließlich nur 2 Studien zitiert, die ich weder selbst durchgeführt noch veranlasst habe. Und die zeigen eben ein widersprüchliches Bild. Bin mir sicher, dass die Verweildauer auf G+ beispielsweise deutlich unter der von Facebook liegt. Das hat überhaupt nichts mit individuellen Vorlieben oder Abneigungen zu tun. Im übrigen nutze ich G+ ja durchaus täglich, ist also beileibe nicht so, dass ich nicht mitbekäme, was dort abliefe.

    Herzlichst, Michael Kroker

  3. …ich finde die Diskussion insbesondere um Mitgliederzahlen, Nutzungsdauer usw. usw. sehr interessent…und vor allem belustigend, denn es scheint mir die Diskussion um viel heisse Luft zu sein…ja, ich habe einen facebook-account…und auch einen google+-account (schon vor der zwangsanmeldung)…und ich wette, das ich in nutzerstatistiken durchaus auftauche…weil ich mich jeden tag mehrmals bei google einlogge, um meine google-adwords und google-adsense-konten zu „checken“ (und schwupps läuft die uhr auch bei google+)….oder weil ich mich bei facebook einlogge, nur um zu sehen, dass mich der mist dort überhaupt nicht interessiert….

    …für mich sind die sog. sozialen netzwerke an sich am ende…man hat sich sattgesehen..sattgelabert…sattgepostet…usw…

  4. Nun, Ihre These (Google+ sei auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit.) war nicht zugespitzt, sondern einfach falsch. Ihr Artikel Ende November über Google+ war ein einziger Vernichtungsfeldzug. Kritik zu üben ist gut und wichtig, aber Sie tun es bei Google+ unentwegt, Facebook hingegen fassen Sie mit Samthandschuhen an. Sogar jetzt schreiben Sie noch: „Erst Ende November habe ich hier im Blog ziemlich aufgeregte Diskussionen durch meine – zugegebenermaßen zugespitzte – These ausgelöst, Google+ sei auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit.Ok, ich gebe zu – so weit ist es bisher nicht.“ Nicht nur kein Wort, dass sie falsch lagen, nein, mit Ihren Worten „so weit ist es bisher nicht“ implizieren Sie sogar – immer – noch, dass Google+ durchaus noch auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit schlittern könnten. Meinen Sie, dass Facebook seine Nutzerzahlen nicht etwas positiver auslegt als sie tatsächlich sind? Zynga bspw. z.Z. schreibt rote Zahlen und was das für Facebook bedeutet brauche ich wohl nicht zu schreiben. Das freut mich, wenn Sie Ihre einseitige Brille ablegen und im nächsten Artikel die Blase Facebook betrachten.

  5. Ich finde nicht das die Leute auf Google+ so inaktiv sind.Bei mir ist in Google+ viel mehr los als in Facebook. Zeit Online hat 20.000 Follower in Google+ erreicht.Und das als Deutsche Seite.

  6. Mir scheint langsam, dass Du Dir einfach wünschst, dass Google+ nicht erfolgreich ist. Ich für meinen Teil mache mir darüber keine Gedanken mehr. Auch wenn Du so gut wie überhaupt kein Feedback auf Deine Postings bei FB bekommst (hab mir mal Deine letzten 10-20 Postings angeschaut), bist Du offenbar sowas wie ein kleiner FB-Fanyboy. Ist vielleicht etwas ungewöhnlich für einen Journalisten, aber es ist ja Deine Wahl. Hab viel Spaß dort und in der Zwischenzeit haben führen wir G+ Nutzer Menge angeregte Diskussionen u lernen tolle neue Leute in der „Geisterstadt“ kennen 🙂

    Appropos Geisterstadt. 50 Mio tägliche aktive Nutzer sind für ne Webseite die etwas mehr als ein halbes Jahr alt ist gar nicht soooo schlecht… Vergleich das doch mal mit FB oder Twitter nach einem halben Jahr 🙂

    Hier auch ein NYT Artikel dazu:

    https://bits.blogs.nytimes.com/2012/03/06/google-defending-google-plus-shares-usage-numbers/

  7. Lieber Stefan,

    danke für Deinen Kommentar. Allerdings ist Deine Unterstellung, ich sei von irgendwas Fanboy, geradezu absurd. Ich habe ja ausschließlich fremde Studien zitiert. Und wenn Compete gemessen hat, dass der durchschnittliche Nutzer bei Google+ rund 2 Minuten pro Visit dort verbringt, bei Facebook dagegen 17 Minuten, dann ist das eben eindeutig.

    Im übrigen bin ich mit der These in diesem Blog-Post ja nachgerade zurückhaltend im Vergleich zu manch anderen deutschsprachigen Blog-Einträgen in jüngster Vergangenheit:

    Die Tage von Google+ sind gezählt
    https://netzwertig.com/2012/02/24/prognose-die-tage-von-google-sind-gezaehlt/

    Die Sinnkrise des Google+
    https://t3n.de/news/sinnkrise-google-359322/

    Noch einmal: Ich wünsche mir bezüglich des Erfolgs oder Misserfolgs gar nichts, warum sollte ich auch?! Ich bemerke aber eben mein Nutzungsverhalten und das von Kollegen. Aber vielleicht wird ja umgekehrt ein Schuh draus: Dass ein Google-Mitarbeiter beim Abgesang auf einen vom eigenen Unternehmen gestarteten Dienst nicht mitmacht, ist dann ja auch nicht eben verwunderlich. Also, dann jubelt mal fleißig weiter, Ihr Googe+-Fanboys ;-)!