August-Wilhelm Scheer und der Bitkom–das letzte Refugium des Patriarchats?!

Ich bin Mittwochabend von der IT-Messe CeBIT zurückgekommen und finde nun endlich Zeit dazu, etwas aufzuschreiben, das mir seit Montag auf den Nägeln brennt. Denn ich ärgere mich. Sehr sogar. Und zwar über eine Gedankenlosigkeit – um nicht zu sagen Dummheit – die ich in jener Form nun doch nicht erwartet hatte.

Es ist Montag gegen Mittag auf der CeBIT. Der ITK-Branchenverband Bitkom hält seine traditionelle Jahrespressekonferenz, in der es vor allem um die Wachstumsaussichten für Informationstechnologie und Telekommunikation im laufenden Jahr geht. Geleitet wird die Veranstaltung von Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer, vor allem bekannt als verdienstvoller Unternehmensgründer (die Mitte 2009 von der Software AG aufgekaufte IDS Scheer) und emeritierter Universitätsprofessor (Institut für Wirtschaftsinformatik an der Uni Saarbrücken).

Gegen Ende der Präsentation – es geht um den Nachwuchsmangel in der IT-Branche – moniert Scheer, die von ihm vertretene Branche habe bei jüngeren Leuten ein Imageproblem: „Im Gegensatz zu Autos, die man anpacken kann, ist die IT halt nicht so sexy“, so Scheer. Sexy vielleicht nicht, aber sexistisch? Scheer erläutert, überdies studierten zu wenig Frauen IT-bezogene Fächer. Und lässt sich zu folgender Bemerkung hinreißen – mit einem Augenzwinkern zwar, aber bestenfalls einem leichten: „Aber vielleicht nützt es ja auch gar nichts, dass unsere Industrie sich bei Mädchen groß ins Zeug legt, weil sie an Technologie ohnehin nicht so interessiert sind – das jedenfalls meinen Hirnforscher.“

Keinerlei Nachhaken im 99 Prozent männlichen Auditorium

Im ersten Moment denke ich, ich hätte mich verhört. Aber offenbar bin ich der einzige, der sich wundert. Irgendwelche Missfallensbekundungen bei den Anwesenden – Fehlanzeige. Vielleicht liegt es ja schlicht daran, dass das Auditorium eine Männerquote von geschätzt 99 Prozent hat und der Altersdurchschnitt bei 35+ Jahren liegt. Jedenfalls gibt’s auch in der anschließenden Frage- und Antwort-Runde kein einziges Nachhaken zu Scheers – vorsichtig ausgedrückt – abenteuerlicher Bemerkung. Mich freilich juckt’s in den Fingern. So frage ich nach dem Ende der Pressekonferenz – Scheer wird derweil von Radiokollegen interviewt – bei den Bitkom-Pressemännlein nach, was denn ihren Chef da gerade geritten habe. Doch ich ernte nur Achselzucken, frei nach dem Motto: „Wieso, stimmt doch, dass Mädchen lieber mit Puppen und Jungs lieber mit Autos spielen.“

Aha, so also die Denke bei Männern aus der IT-Branchen in Deutschland – im Jahr 2010. Ich gehe weiter, frage Scheer persönlich, ob er jenen Ausspruch ernst gemeint habe. Doch der 68-Jährige rudert bestenfalls halbherzig zurück: „Das sage ja nicht ich, sondern Wissenschaftler wie etwa Gerald Hüther.“ Jener arbeitet als Professor für Hirnforscher und Neurobiologe an der Universität Göttingen. Hüther habe, so Scheer, in seinem Buch „Männer – Das schwache Geschlecht und sein Gehirn“ dargelegt, dass das Gehirn des Mannes aufgrund des Testosterons anders strukturiert sei als bei Frauen. Daher rührten eben auch Unterschiede, etwa dass Männer sich mehr für Technik interessierten als Frauen. Scheer: „Die Hightech-Welt ist so was wie der Bastelraum des modernen Mannes.“ Auch auf erneutes Nachhaken distanziert sich Scheer nicht klar von solchen Positionen, sondern konstatiert bloß, dass Genforscher diese Zusammenhänge natürlich „etwas anders“ sähen.

Ständige Andeutungen von ewiggestrigen Herren

Der Bitkom und sein Präsident Scheer – das letzte Refugium des Patriarchats in Deutschland? Wollen wir zu seinen Gunsten annehmen, dass der Bitkom-Chef ja einfach nur einen schlechten Tag hatte. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger wundert es mich, dass der Anteil von Studentinnen in vielen technischen Fächern seit Jahren im einstelligen Bereich herumdümpelt. Ich jedenfalls hätte auch keinen Bock darauf, als gut ausgebildete Frau ständig von ewiggestrigen Herren indirekte Andeutungen über eine vermeintlich natürliche Unterlegenheit ertragen zu müssen.

Und ja, vielleicht sollten sich all die IT-Nerds in Unternehmen und Verbänden auch mal selbstkritisch fragen, ob es eventuell sogar sie selber sind, die eine höhere Beschäftigungsquote von Frauen verhindern. Einfach mal mit wachem Blick über die CeBIT schlendern und auf lindgrüne oder türkisblaue Jacket-Träger mit Mickey-Maus-Krawatten achten. Jene Gesellschaft wollen sich möglicherweise viele Frauen nicht freiwillig antun. Auch ich bekenne freimütig: Ich habe ebenfalls schon desöfteren mit Journalistenkollegen darüber gewitzelt, dass es doch eigentlich viel angenehmer sei, über Branchen wie Tourismus zu schreiben – schlicht weil es dort mehr Frauen und weniger Geeks gibt.

Weil mich die IT dann doch mehr interessiert, lautet mein Appell: Liebe Frauen, geht an die Unis und Fachhochschulen und studiert Informatik & Co. Nur so könnt Ihr das rückwärtsgewandte Denken in Kategorien wie Technologie-affine Männer und sozial-orientierte Frauen ausmerzen. Und lieber Bitkom: Vielleicht traut Ihr Euch einfach mal, die reine Männerfront innerhalb Eures Präsidiums zu durchbrechen. Das eröffnet die Gelegenheit zum Austausch mit dem anderen Geschlecht, was ja nie schaden kann, um Vorurteile abzubauen. Und es hilft ganz nebenbei vielleicht auch noch in der Außenwirkung und der Werbung für Eure Branche.

P.S.: Ich bin mit einer Diplom-Informatikerin liiert, die auf Datenbank- und Java-Programmierung spezialisiert ist. Gut einparken kann sie übrigens auch.

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Alle Kommentare [17]

  1. 110% Zustimmung! Vor allem der Blick ins Bitkom-Präsidium spricht Bände. Man sollte mal Regine Stachelhaus dazu vernehmen, wie sie es all die Jahre in diesem Männerhaufen IT-Branche ausgehalten hat.

    By the way: Hasso Plattner hatte seinerzeit in Frankfurt auf einer Entwicklerkonferenz eine bemerkenswerte Brandrede gehalten. Er schimpfte, die meisten Software-GUIs (nicht nur die von SAP) seien überholt und, so Plattner wörtlich, „nicht sexy“. Es hätten viel zu lange Zeit Nerds (er benutzte ein ähnliches Wort) das Sagen gehabt. Konsequenz: Apparate und Anwendungen von Fricklern für Frickler.

    Als Gegenbeispiel nahm er dann einen IPod in die Hand.

  2. Danke, Danke, Danke!
    Schöne Grüße von eine Frau in der IT (aber keine halbnackte CeBIT-Hostess!!)

  3. keine ahnung zu apple, aber microsoft hat 5 frauen -alle mit kindern in der dt. geschaeftsleitung und gewinnt preise fuer chancengleichheit. sogar der tuev hat microsoft diskriminierungsfreiheit bescheinigt. es gibt unterschiede in der branche. in anderen unternehmen habe ich (IT frau) es leider auch anders erlebt. danke fuer den klaren artikel. ich habe mich schon oft ueber die maennerdominanz und verbreitete ignoranz beim bitkom geaergert.

  4. Wer Frauen nur als Hostessen kennt, bleibt mental eben in den 50er Jahren stehen – da sind die Inder und Chinesen schon erheblich weiter!

  5. Wo ist eigentlich Ihr Problem, Herr Kroker? Wenn (und da fehlt mir eigentlich die entscheidende Recherche von Ihnen als Journalist)…also: wenn Herr Hüther, als Gehirnforscher einen strukturellen Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Gehirnen festgestellt hat und daraus bestimmte Folgen ableitet und Ihre Frau erfolgreich in der IT tätig ist, dann ist doch alles in Ordnung – oder? Ausnahmen bestätigen die Regel. Verwechseln Sie hier vielleicht Chauvinismus mit Hirnforschung? Aber vielleicht erklären Sie mir einfach mal, wo Ihr Problem ist. Ich sehe jedenfalls keines. Ich als Frau könnte damit leben. Genauso wie ich als Mann damit leben kann keine Kinder zu kriegen. Übrigens: Respekt vor Frau Kässmann die mehr Courage gezeigt hat als die meisten „öffentlichen Männer“, ich habe lieber Frauen als Chefs und denke mehr Frauen in der Politik würde auch gut tun…Sie sehen: ich bin kein Chauvi…ich sehe nur Ihr Problem nicht…

  6. Danke für diesen Beitrag. So ändert sich ja vielleicht doch noch was? Allerdings wohl eher nicht auf (den) Seiten der BITKOM – habe gerade drüber geschaut und finde, dass die verwendeten (Sprach-)Bilder dem „wissenschaftlich bewiesenen“ Blick Rechnung tragen: weil es Frauen agg. eh´ nicht interessiert, dürfen sie sich sprachlich mitgemeint fühlen oder als lächelnde „Bürger“ (nicht etwa _innen) den neuen Personalausweis bewundern. Sei´s drum. Veränderung braucht nun mal Zeit. Auch unsere.

  7. Ich (PR-Freiberuflerin) habe mich mit einem Kollegen zu einer Bürogemeinschaft zusammengetan. Wir bringen die klassischen Vorausssetzungen mit: Er technik-affin, ich eher für Texten und Co. zuständig. Aber: Er ist gerne bereit, mich außerhalb der Technikwelt abzuholen und mich mitten hineinzuführen, und zwar mitels einer Sprache, die ich verstehe. Das kostet ihn manche Anstrengung, mich aber auch :-). Und ich bin überrascht darüber, wie weit ich doch folgen kann und wie viel ich verstehe. Am Ende ergeben seine und meine Denke (wobei er immer den größeren technischen Durchblick schieben wird) in der Summe einen viel weiteren Horizont, und zwar für uns beide. Und viel mehr neue Möglichkeiten für unsere Arbeit.

    Mein Beispiel bewegt sich jetzt zwar nicht auf der hohen Wissensebene, die Sie in Ihrem (guten!) Artikel beschreiben (Frauen studiert IT!). Aber meiner Meinung nach sollten wir Frauen eben schon viel weiter unten abgeholt werden, damit wir die Scheu davor verlieren, überhaupt mal drüber nachzudenken,, ob wir nicht auch einen Beitrag zu technischen Thmen leisten können.

    Bis vor ca. fünf Jahren war ich aus beruflichen Gründen regelmäßig auf der CeBIT. Das CeBIT-Grauen hatte für mich einen Namen: BITKOM-Veranstaltungen/Abende. Grausam. Übrigens haben auch einige der männlichen Fachjournalisten ihr Quentchen dazu beigetragen. Und jetzt muss ich lesen, dass das atmopshärisch immer noch so ist? Ich fass es nicht. Folgere daraus aber auch, dass da in vielerlei Hinsicht (ein für die Branche nicht zuträglicher) Stillstand herrscht.

  8. Wenn Herr Scheer schon das Buch von Prof. Hüther bemüht um seine eigenen Vorurteile und die seiner vielen Counterparts zu entschuldigen, sollte er wenigstens vorher auch dessen Buch auch aufmerksam lesen und seine Inhalte korrekt widergeben. Prof. Hüther hat eine solche Behauptung in seinem Buch überhaupt nicht aufgestellt. Alle Achtung, Herr Kroker für diesen mutigen und wachrüttelnden Artikel. In meinem Unternehmen – einem der großen der ITK-Branche – hat er gut eingeschlagen.

    Zu Herrn DB’s Kommentar: Herrn Kroker’s Problem ist vermutlich das Problem vieler Frauen: Dass nämlich Männern wie Ihnen all die hundert kleinen, sexistischen Nadelspitzen und Diskriminierungen, all die Platitüden und Herablassungen pro Tag gegen Frauen ÜBERHAUPT NICHT AUFFALLEN und Sie sich auch noch zu der wirklich amüsanten Bemerkung hinreißen lassen, SIE ALS FRAU könnten damit prima leben. Ein Mann maßt sich also auch noch an, beurteilen zu können, womit ER ALS FRAU überhaupt kein Problem hat. Mit diesem Grad an ‚Einfühlungsvermögen‘ werden wir kaum jemals weiterkommen, Herr DB. Aber Gott sei Dank wachsen heute sehr viele junge Männer nach, die wirklich weit weniger Scheuklappen haben. Darauf baue ich – für die nächste Generation.

  9. Was sollen diese ganzen Hinweise auf Frauen in der „Geschäftsleitung“ diverser IT Unternehmen? Das sind doch keine „IT Jobs“, sondern betriebswirtschaftliche Positionen für die kein „Nachwuchsmangel“ (schon garnicht ein weiblicher) existiert

  10. Welch’ alberner polit-feministischer Artikel! Himmel noch einmal.

    Es ist nach jahrzehntelanger Erfahrung so: Wenn die Mädchen sich für Technik entscheiden, dann sind sie im Durchschnitt sehr ehrgeizig, äußerst ernsthaft, sehr gut und man kann sich auf sie ganz besonders gut verlassen. So ist es im Durchschnitt. Abweichungen gibt es nach allen Seiten. Aber im Durchschnitt ist es so.

    Bei den ‚Buben’, die im harten technischen Kern der Informationstechnologie arbeiten und die dort über 90 % stellen, werden die Mädels, die sich diesen Härten gestellt haben, nach Strich und Faden verzogen. Sie haben es dort sehr sehr gut, und alle vertragen sich bestens.

    Der Rest ist absoluter Quatsch. Wer etwas anderes sagt, lebt im Durchschnitt nicht in der Informationstechnologie, sondern evt. im techn.-kaufmännischen Bereich, ist gar ein politischer Wirrkopf oder arbeitet in irgendwelchen Weich- und Sprechdisziplinen – auf gar keinen Fall aber in der ganz harten Informationstechnik.

    Daß die Damen (Gott sei Dank) ein anderes Gehirn haben als die Herren, ist im Durchschnitt den echten IT-Damen klar. Sie sehen das aber niemals als Nachteil. Ob es ein besseres oder ein schlechteres Gehirn ist, diskutiert nämlich eine intelligente Frau deshalb nicht‚ weil ‚anderes Gehirn’ bei einer intelligenten Frau per se kein Synonym für ‚gut’, ‚schlecht’ oder ‚leistungsfähig’ ist. Diese Gedanken diskutiert man nur in den intellektuellen Niederungen des Feminismus, von denen sich die Frauen in der IT im Durchschnitt scharf distanzieren. Sie machen es deshalb, weil sie nicht als dumm gelten möchten. Sie möchten durch techn. Leistung glänzen, möchten aber ihre Leistung niemals mit Politik korreliert sehen, denn sie wissen zu genau, daß damit all ihre Leistung ad hoc entwertet ist, denn Politik kann jeder, richtige Informationstechnik nur ganz wenige.

    Der Autor ist niemals in der harten Informationstechnik tätig gewesen.

  11. Ja hallo? Natürlich wollen Frauen Technikfächer nicht studieren. Das war schon immer so. Wieviele Elektrotechnikerinnen (die auch noch die RWTH durchgehalten haben) kennen Sie? Wieviele Maschinenbauerinnen? Na also. Herr Scheer, der mir ansonsten nicht sonderlich sympathisch ist, hat bei mir ein paar Punkte gut. Wie wäre es, wenn wir solche Dinge einmal laut sagen, anstatt sich ständig hinter infantile Gleichberechtigungsphantasien zu verkriechen.

  12. Es gibt keinen Mangel an geeigneten Fachkräften, sondern einen Mangel an menschlichen Arbeitsbedingungen:
    -ständige Nachtschichten
    -ständige 24h Erreichbarkeit
    -unglaublich viele Überstunden
    -häufige Wochenendschichten
    und als Dank ist man an allem Schuld und erntet den Undank.
    Vielleicht sollte man da einmal anfangen die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

  13. Wenn ich Kinder kriegen darf und will, dann ist der Zeitpunkt gekommen an dem auch ich von Frauen das einfordere, wofür sie keinen Bock haben. Anstatt zu prüfen, wo Frauen Sinn machen und wo sie hin wollen, sollen sie sich als Männer in Frauenkleidung bereithalten um Gleichberechtigung und Emanzipation zu demonstrieren.

    Da frag ich mich echt was peinlicher ist. Ich hatte in Textilem Werken eine vier und ehrlich gesagt, ich bin null scharf darauf Baby Aa wegzumachen, wobei Frauen dabei ja beinahe einer abgeht.

    Wenn ich mir diese altersstarrsinnigen Männer um und jenseits 70 in Politik und Wirtschaft anschaue und dagegen Frau gebliebene Führungskräfte, dann hätten wir weniger Probleme heute. Mit den senilen Silberrücken die mit ihren toten Händen an der Macht klammern, ist echt kein Staat mehr zu machen. Aber diese Männerplagiate die in der Quote den statistischen Frauenanteil schönen, der bringt’s auch nicht.