Wer braucht AMD? Vor allem einer – Intel

Die Idee für diese Blog-Story kam mir am vergangenen Freitag nach einer Diskussion mit einem Kollegen. Der weltgrößte Halbleiterhersteller Intel hatte in der Nacht zuvor die Märkte mit stärker als erwarteten Zahlen fürs vierte Quartal 2009 überrascht: Durch einen Umsatz von 35 Milliarden Dollar und einem Gewinn in Höhe von 4,4 Milliarden Dollar konnte der US-Gigant beinahe nahtlos an die Zeit vor der Wirtschaftskrise angeknüpfen. Vor dem Hintergrund fragte der Kollege süffisant, wer eigentlich dessen Konkurrenten AMD brauche.

Klingt auf den ersten Blick zugegebenermaßen reichlich platt, ist es aber nicht. Denn am Bestand des seit Jahren ums Überleben kämpfenden Chipherstellers AMD hat bei Lichte betrachtet vor allem einer ein vitales Interesse: Erzrivale Intel selbst. Denn so sehr der Chipgigant aus Santa Clara in Kalifornien geschäftlich von Erfolg zu Erfolg eilt, desto argwöhnischer beobachten ihn – und vor allem sein Geschäftsgebaren – die Kartellbehörden rund um den Globus.

So verurteilte etwa die EU-Kommission Intel im März 2009 nach einem jahrelangen Kartellverfahren wegen des Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung und der Behinderung von Wettbewerbern zu einer Strafe in Höhe von 1,06 Milliarden Euro (Intel hat gegen das Urteil Berufung eingelegt). Und selbst in der unternehmensfreundlichen Heimat rücken die Wettbewerbshüter Intel immer mehr auf die Pelle: Erst im vergangenen November hat der Generalstaatsanwalt des Bundesstaats New York gegen Intel eine Kartellklage vor einem US-Bundesstaat eingereicht. Der Vorwurf:  Der Konzern habe mit illegalen Rabatten für Computerhersteller gegen US-Recht verstoßen.

Sollte in dieser Situation mit AMD der Hauptwidersacher von Intel im Markt für Computerprozessoren – diese Chips bilden das Gehirn jedes Computers – verschwinden, dürften die Kartellbehörden noch viel genauer hinschauen. Grund: Dann wäre Intel in jenem Geschäft ein reinrassiger Monopolist. Für Unternehmen mit einer derartigen Marktposition gelten jedoch in vielen Staaten – selbst in den USA – noch deutlich strengere Regeln, insbesondere was die Eroberung neuer Märkte betrifft. Doch in der IT hat sich das Wachstum weg von Computern hin in Richtung Mobilgeschäft mit Handys und Smartphones verlagert. Genau da will Intel hin, weil der Konzern in jenem Segment bis heute gegenüber Konkurrenten wie Texas Instruments oder Qualcomm hinter hinkt. Ein Vorhaben, dem die Kartellbehörden dann enge Grenzen auferlegen könnten.

Microsoft als Vorbild für Intel? Der Apple-Deal von 1997

Wie eng die Grenzen für einen anerkannten Monopolisten sein können, musste der langjährige Intel-Partner Microsoft in den vergangenen Jahren erfahren. Dem Softwarehersteller wurde in mehreren Kartellverfahren untersagt, sein marktberherrschendes Betriebssystem Windows standardmäßig mit neuen Produkten wie Multimedia-Software (Media-Player) oder Internet-Browser zu koppeln. So beendete etwa die EU-Kommission ein langjähriges Verfahren gegen Microsoft im Dezember 2009 erst, nachdem der Konzern einwilligte, Windows-Nutzern künftig automatisch mehrere Browser-Programme zur Auswahl anzubieten.

Bleibt die Frage, ob Intel etwas Vergleichbares tun müsste, um das Überleben seines Widersachers AMD zu sichern. In jenem Kontext erinnerten mein Kollege und ich uns an eine interessante historische Begebenheit mit Microsoft, die vielen heute gar nicht mehr präsent ist: Mitte 1997 sorgte der Microsoft-Gründer und damalige Konzernchef Bill Gates höchstpersönlich dafür, dass bei Arbeitsplatz-Computern eine Alternative zu den eigenen Produkten am Leben bleibt. Nur zur Erinnerung: Das alternative Computer-Betriebssystem Linux spielte seinerzeit bestenfalls an Unis eine Rolle, der Internet-Gigant Google war noch nicht einmal gegründet. Und dem einzigen nennenswerten Microsoft-Widersacher, dem heutigen Börsenliebling Apple, stand damals das Wasser bis zum Hals; Steve Jobs war erst kurz zuvor an die Spitze des von ihm gegründeten Unternehmens zurückgekehrt.

Im August 1997 überraschten Gates und Jobs die Welt mit einem regelrechten Coup: Die Rivalen legten ihren langjährigen Streit bei, und Microsoft gab Apple durch den Kauf von Aktien im Wert von 150 Millionen Dollar eine dringend benötigte Kapitalspritze (schön nachgezeichnet im Blog von dpa-infocom-Chefredakteur Christoph Dernbach mit der originalen dpa-Meldung vom 07.08.1997). Der Rest ist Geschichte. Die lehrt in jenem Fall freilich auch: Vielleicht wäre Microsoft im Nachhinein froh, Apple nicht den finanziellen Rettungsanker hingeworfen zu haben. Denn in vielen wichtigen Zukunftsmärkten wie etwa dem digitalen Musikvertrieb oder intelligenten Smartphones ist Apple seinem damaligen Retter heute längst weit enteilt.

Tja, sollte Intel also ähnlich verfahren wie Microsoft anno 1997 – sprich: in AMD investieren, um einem schwächelnden Wettbewerber aus kurzfristigem Eigeninteresse das Überleben zu sichern – auch auf die Gefahr hin, sich damit möglicherweisen langfristig das Leben schwerer als nötig zu machen? Was meinen Sie?

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*